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Leistungskürzung AsylbLG - LSG Schleswig positioniert sich

Offensichtlich wehren sich nur wenige Flüchtlinge gegen Kürzungsbescheide der Asylbewerberleistungsstellen. Doch jetzt ist es gelungen, eine klare Positionierung des Schleswig-Holsteinisches Landerssozialgerichts zu bekommen:

In dem Beschwerdeverfahren zu der Frage, ob Flüchtlingen, die eine Anerkennung in einem anderen europäischen Staat erhalten haben, die Leistungen nach § 1 a Abs. 4 Satz 2 AsylbLG gekürzt werden können, hat das LSG Schleswig Stellung bezogen:

Eine Leistungskürzung nach § 1 a Abs. 4 Satz 2 AsylbLG erfordert ein pflichtwidriges Verhalten.

Die Einreise nach Deutschland stellt kein pflichtwidriges Verhalten dar.

Überzeugend führt der 9. Senat des LSG Schleswig aus:

Würde eine Leistungskürzung unter Berücksichtigung des Wortlautes allein davon abhängig gemacht, dass der Leistungsberechtigte einem europäischen Asylregime unterworfen ist, ohne dass explizit an ein konkretes Fehlverhalten angeknüpft wird, widerspräche dies dem bisherigen Sanktionssystem im AsylbLG, im SGB II sowie im SGB XII, bei dem der Leistungsberechtigte es in der Hand hat, eine Leistungskürzung zu vermeiden oder zu beenden

Migrationspolitische Erwägungen, die Leistungen an Asylbewerber und Flüchtlinge niedrig zu halten, um Anreize für Wanderbewegungen durch ein im internationalen Vergleich eventuell hohes Leistungsniveau zu vermeiden, rechtfertigen von vornherein kein Absenken des Leistungsstandards unter das physische und soziokulturelle Existenzminimum.

 

Denn „die in Artikel 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) garantierte Menschenwürde ist migrationstechnisch nicht zu relativieren"

 

Leistungen nach den §§ 3 ff. AsylbLG sind im Vergleich zu Leistungen nach dem SGB II oder SGB XII ohnehin bereits reduziert, so dass jede weitere Leistungseinschränkung eine nochmalige Absenkung des Leistungsniveaus zur Folge hat und bei einer großzügigen Handhabung des § 1 a Abs. 4 Satz 2 AsylbLG die Gefahr einer unzulässigen Unterschreitung des von Verfassung wegen stets zu gewährleistenden menschenwürdigen Existenzminimums der Leistungsberechtigten und ihrer Familienangehörigen besteht.

 

Zudem bestehen erhebliche Zweifel, ob die Regelung des § 1 a Abs. 4 Satz 2 AsylbLG dem Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG gerecht wird, wenn den von Anspruchseinschränkungen Betroffenen in § 1 a Abs. 1 - 3 AsylbLG ein konkretes, selbst zu vertretendes ausländerrechtliches Fehlverhalten vorgeworfen wird und als Folge dessen eine Leistungseinschränkung greift, § 1a Abs. 4 AsylbLG ein solches aber dem Wortlaut nach nicht regelt.

 

Schließlich bleibt unberücksichtigt, aus welchen Gründen die Sekundärmigration erfolgt. So ist mit Blick auf die Menschenrechtskonvention eine Abschiebung. in einen anderen EU-Staat ausgeschlossen, wenn z.B. für minderjährige Kinder keine Garantieerklärung abgegeben wurde

Es kann auch weiterhin nur angeraten werden, gegen Kürzungsbescheide vorzugehen.

Diese sind übrigens auch noch anfechtbar, wenn sie im Jahr 2019 ergangen sind.

Für Verfahren vor den Sozialgerichten wird in den meisten Fällen Prozesskostenhilfe gewährt.